In Rekordzeit vom Prototyp zur Marktreife - Interview in der Technik + Einkauf - L.B. Bohle Maschinen und Verfahren GmbH

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In Rekordzeit vom Prototyp zur Marktreife - Interview in der Technik + Einkauf

Bei L.B. Bohle (Spezialmaschinen für die Pharmaindustrie) sind die Innovationszyklen kurz. Flexibilität und Schnelligkeit kennzeichnen deshalb auch die Zusammenarbeit von Dr. Robin Meier (Wissenschaftlicher Leiter) und André Klug (Leitung Einkauf). Vom Prototyp bis zur Marktreife vergehen oft nur wenige Monate.

Herr Dr. Meier, als Apotheker mit dem Schwerpunkt pharmazeutische Technologie sind Sie an der Schnittstelle von Prozess, Rezeptur und Arzneimittel zuhause. Welche Schnittstelle haben Sie zum Einkauf?
Robin Meier: In der Neu- und Weiterentwicklung unserer Maschinen wird die Zusammenarbeit mit dem Einkauf immer wichtiger und intensiver. In einer kleinen Organisation wie der unseren muss es schnell gehen. Hier kommt dem Einkauf als Hauptschnittstelle eine große Rolle zu.

Herr Klug, können Sie immer so schnell reagieren, wie die Technik das möchte?
André Klug: Wir sind als Unternehmen sehr flexibel, unsere Entscheidungswege sind kurz, die Hierarchien flach. Die Teams entscheiden eigenverantwortlich und müssen nicht für jedes Detail aufwändige Genehmigungsprozesse durchlaufen. Es gibt kaum interne Hemmnisse.

Zu welchem Zeitpunkt wird der Einkauf bei Innovationen aktiv?
André Klug: Das ist unterschiedlich. Es gibt Produkte, da sind wir von Anfang an dabei und andere, für die ein halbfertiger Prototyp existiert, wenn wir dazukommen. Ab dann probieren wir gemeinsam aus, was Sinn macht und was nicht.

Dreh- und Angelpunkt ist also der Prototyp?
Robin Meier: Unsere Entwicklungswerkstatt kann sehr schnell und phantasievoll Ideen in Prototypen umsetzen. Bei diesem Proof-of-Concept geht es zunächst darum, ob das, was wir uns vorstellen, grundsätzlich funktioniert. Der Prozess ist sehr offen und dynamisch und wir entwickeln in der Tat sehr schnell. Von der Idee bis zum Prototyp vergehen oft nur wenige Wochen und bis zur ersten Inbetriebnahme – wie bei unserer neuesten Entwicklung – kaum ein Jahr.

Produkte, die schnell zur Marktreife gelangen, was heißt das für den Einkauf?
André Klug: In der Regel sind wir in den Prototypenbau ja bereits einbezogen und beschaffen hierfür schon Bauteile. Im nächsten Schritt schauen wir, was wir wirtschaftlich und technologisch verbessern können. Dann geht es um die richtigen Lieferanten, das richtige Material. Auch die Lieferanten geben ihren Input und wir designen um, falls das fertigungstechnisch Sinn macht.

Welche Bauteile beschaffen Sie, wo liegt der Schwerpunkt?
André Klug: Wir kaufen zunehmend fertig montierte Baugruppen. In der Pharmazie sind die Qualitätsansprüche extrem hoch, das heißt, nicht jeder Lieferant kommt für uns in Frage. Stabile Partnerschaften sind wichtig. Der Großteil der Lieferanten kommt aus der Region.

Welche Anforderungen hat die Technik?
Robin Meier: Neben Metallteilen kaufen wir Komponenten, die den Prozess steuern und aufzeichnen: Sensoren, Aktuatoren, Lufttechnik, Antriebstechnik, Ventilatoren, die exakt ausgelegt sind auf Druckverhältnisse, Durchsatzmengen und Temperatur. Deshalb sind wir, was die Auswahl der Lieferanten für diese Bauteile betrifft, oft in einem sehr kleinen Fenster unterwegs.

André Klug: Wichtig ist, dass wir schon in der Entwicklungsphase mit dem Lieferanten zusammenarbeiten. Dass wir die Lösung auf den Anwendungsfall hin entwickeln.

Robin Meier: Manchmal passt der Stammlieferant trotzdem nicht. Wie bei einem Durchflussmesser für Flüssigkeiten in sehr kleinen Mengen. Das Gerät konnte der Stammlieferant in dieser Größe einfach nicht liefern. Dann muss man sich neu umschauen.

André Klug: In manchen Warengruppen ist die Auswahl tatsächlich sehr begrenzt. Hinzu kommt die Auslastung der Lieferanten, die auf Neukunden gerade nicht unbedingt angewiesen sind.

Was tun Sie dann?
André Klug: Bei Elektronik ist das eine Herausforderung. Im Metallbereich ist es einfacher, aber auch hier engen definierte Werte die Auswahl ein.

Kommt eine Second Source für Sie überhaupt in Frage?
André Klug: Im Einkauf begrüßen wir das. Aber auch von unseren Kunden bekommen wir Spezifikationen, die die Produkte genau definieren. Dann gibt es zum Beispiel beim Elektromotor keine Alternative. Das muss man geschickt steuern, damit Lieferfähigkeit und Preis am Ende trotzdem passen.

Wie managen Sie Lieferrisiken?
André Klug: Aufgrund unserer Größe wissen wir noch sehr gut, welches die kritischen Produkte und Lieferanten sind. Dort haben wir entsprechende Maßnahmen eingesteuert, arbeiten mit Abrufaufträgen, Lagerbeständen oder festen Wiederbeschaffungszeiten.

Wie transparent müssen Sie in der Lieferkette gegenüber Kunden sein?
André Klug: Die Anforderungen an Transparenz und Dokumentation nehmen definitiv zu. Wo möglich, werden wir dem gerecht. Manche Fragen etwa bezüglich der Herkunft einzelner Rohstoffe lassen sich aufgrund Größe und Struktur unseres Lieferantenstamms allerdings kaum beantworten

Robin Meier: Wir prüfen natürlich penibel die Materialqualität der Edelstähle in allen produktberührenden Bereichen, in dem wir Bauteile und Materialien im Wareneingang röntgen. Das dokumentieren wir selbstverständlich auch.

Haben auch Sie heute andere Erwartungen an Ihre Lieferanten?
André Klug: Statt Einzelteile kaufen wir Baugruppen. Das heißt, wir erwarten zum Beispiel bereits veredelte, beschichtete Drehteile inklusive Verbindungsmaterial. Die Koordination der Zwischenschritte überlassen wir den Lieferanten.

Hat das Einfluss auf das Maschinendesign?
Robin Meier: Am Anfang einer Entwicklung profitieren wir davon, dass wir vieles selbst können. In die Diskussion mit Lieferanten gehen wir später und passen Spezifikationen an, wenn wir merken, es ist so einfacher und hat keinen Einfluss auf den Prozess, seine Stabilität und Qualität.

Nimmt der Austausch mit den Lieferanten deshalb zu?
André Klug: Auf jeden Fall. Heute lassen wir den Motor vom Lieferanten auslegen – schließlich ist er der Spezialist. Da hat ein Umdenken stattgefunden.

Robin Meier: Wir haben Bauteile, deren Entwicklung ohne das Mitwirken von Lieferanten deutlich länger gedauert hätte, auch weil wir deutlich mehr hätten testen mussten. Manche Lieferanten sind bereit, sich vom Start weg intensiv einzubringen.

Wo gibt es Reibungspunkte zwischen Technik und Einkauf?
Robin Meier: Weniger in der Innovationsphase, mehr im Alltagsgeschäft. Wenn es um die Maschinen geht, die zu einem fixen Liefertermin beim Kunden sein müssen.

André Klug: Das Zeitfenster wird immer enger. Die Entscheidungsprozesse unserer Kunden sind lang und zwischen Angebot und Vertrag liegen schon mal Jahre. Aber der ursprünglich avisierte Liefertermin bleibt. Für die Beschaffung ist das mitunter schwierig, weil es auch auf Lieferantenseite aktuell lange Lieferzeiten gibt.

Wie kommen Sie dann pünktlich an die Ware?
André Klug: Wir geben über ein neues Tool unseren Lieferanten heute wöchentlich eine Vorschau über den konkreten Bedarf. Damit verbunden ist eine monatliche Lieferantenbewertung. Die Lieferliste muss der Lieferant checken und sich aktiv melden, wenn er die Menge nicht liefern kann. Auf diese Weise haben wir die Liefertreue erhöht und können uns bei Lieferschwierigkeiten im Vorfeld abstimmen.

Wie stemmen Sie das hohe Tempo in der Entwicklung?
Robin Meier: Innovationen finden neben dem Tagesgeschäft statt, das ebenfalls laufen muss. Das schafft man nur, wenn man punktuell neue Mitarbeiter hinzugewinnt, wie wir es getan haben. Innovation ist aber auch eine ideelle Herausforderung. Die Aufgabe ist, exakt den kritischen Punkt zu treffen, den der Wettbewerb nicht abdeckt, der für die Kunden aber ausschlaggebend ist. Dass uns das jetzt mehrfach gelungen ist, bekommen wir vom Markt immer wieder bestätigt.

Woher wissen Sie, wo Kunden der Schuh drückt?
Robin Meier: Wir sind sehr viel auf Messen und Fachkonferenzen zur kontinuierlichen Fertigung. Da hört man viel, hinzu kommen Erfahrungsberichte von Unternehmen. Als wir unsere neuen Konzepte präsentiert haben, wurde schnell deutlich, dass Punkte wie Gleichmäßigkeit im Produktfluss oder die gleichmäßige Trocknung bei verschiedenen Partikelgrößen den Nerv treffen. Das ist dann eine schöne Bestätigung, dass man auf dem richtigen Weg ist.

Sie entwickeln schnell und optimieren viel, wie bildet der Einkauf das ab?
André Klug: Wenn eine Maschine schnell marktgerecht wird, müssen wir mit dem Tempo des Verkaufs mithalten. Da wir die Produkte aber auch nach Marktreife weiter optimieren, ändern sich oft nochmals die Artikelstämme. Dann stoppen wir den Prozess und beschaffen neu. Das macht einen Teil unserer Flexibilität und Schnelligkeit aus, dass das funktioniert.

Was steht auf der Agenda für 2019?
Robin Meier: Entwicklungsseitig haben wir in den letzten zwei Jahren sehr viel vorangetrieben. Das vorrangige Ziel ist jetzt, das zum Punkt zu bringen, die Modellpflege abzuschließen, einen Standard zu erzielen, den wir beibehalten. Über unsere Hochschulkooperationen wollen wir zudem Daten generieren und Testreihen publizieren, die zeigen, was die Maschinen können.

André Klug: Wir rechnen für die Neuentwicklungen mit guten Verkäufen, das heißt die Stückzahlen werden sehr schnell hoch gehen. Die Belieferung hierfür müssen wir über Rahmenvereinbarungen und Abnahmeverpflichtungen sicherstellen. Dennoch: Die Kapazität ist ein Thema. Wer als Lieferant heute in eine neue Werkzeugmaschine investiert, dessen größtes Problem ist der Bediener. Der Fachkräftemangel ist deutlich spürbar. Auch auf Kundenseite, wo wir schlüsselfertige Lösungen liefern – das heißt Maschine inklusive Einbringung, Montage und Inbetriebnahme. Hierfür brauchen wir weltweit Fachkräfte. Hinzu kommt, dass nur bestimmte Lieferanten bei unseren Kunden zugelassen sind. Nicht jeder darf eine pharmazeutische Produktion betreten. Für den Einkauf ist das nicht nur organisatorisch, sondern auch wirtschaftlich eine Herausforderung.

 

Quelle: TECHNIK + EINKAUF Prozessindustrie 1/2019

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